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Von Montreal in die Gäubodenstadt

Seit Oktober 2023 studiert Emma Beadle am TUM-Campus. Die Stadt und die
Umgebung sind ihr seitdem sehr ans Herz gewachsen. Foto: Thomas Heigl

Die 24-jährige Kanadierin Emma Beadle studiert am TUM-Campus im Bereich chemischer Biotechnologie. Unterstützt wird sie dabei vom Verein „Hochschulstadt Straubing“

Straubing ist nicht gerade wie Montreal. Hier ist alles ein bisschen kleiner. Die Hauptstadt der Provinz Québec in Kanada hat über 1,7 Millionen Einwohner. Die Gäubodenstadt dagegen knapp 50.000. Die 24-jährige Kanadierin Emma Beadle hat es trotzdem von Nordamerika an den TUM Campus nach Niederbayern gezogen. Sie studiert in ihrem vierten und letzten Semester für ihren Masterabschluss am Lehrstuhl für Chemie Biogener Rohstoffe von Prof. Dr. Volker Sieber und schreibt dort gerade an ihrer Masterarbeit. Unterstützt wird sie durch das Deutschlandstipendium und den Verein „Hochschulstadt Straubing“, der Emma Beadles Stipendium für ein komplettes Jahr bezahlt.

„Studierende sowie Studienanfänger, deren Werdegang herausragende Leistungen im Studium und Beruf erwarten lassen“, werden unterstützt, heißt es auf der Webseite des Stipendiums. 8000 junge Menschen werden so aktuell bundesweit gefördert. Der Hochschulverein konkretisiert es noch etwas: „Wissenschaft braucht Förderung. Der Standort Straubing soll noch attraktiver für Wissenschaftler, Studierende und Fachleute werden.“ Beide Einrichtungen waren von der Bewerbung und dem Studienschwerpunkt von Emma Beadle überzeugt.

Für ihre Masterarbeit arbeitet sie bei der Firma Microbify am Europaring an der Herstellung eines hitzestabilen Proteins mit Hilfe von Bakterien, das potenziell in der Landwirtschaft eingesetzt werden kann. „Dabei optimiere ich sowohl das Wachstum der Bakterien, als auch die Reinigung des Proteins und untersuche dessen Eigenschaften durch chemische Tests“, erklärt Emma Beadle. Ziel ist es, besser zu verstehen, wie solche Proteine in realen, hitzebelasteten Umgebungen eingesetzt werden können. Kurz gesagt: Bakterien sollen in nützliche Stoffe für die Lebensmittelherstellung oder die Medizin umgewandelt werden. Eine komplexe Angelegenheit, in der man überwiegend mit Kittel und Schutzbrille in Laboren arbeitet.

Vom Campus, der Ausstattung und den Möglichkeiten ist Emma Beadle nach eineinhalb Jahren „beeindruckt“. Angefangen hat alles mit einer einfachen Google-Suche. „Für mein Masterstudium wollte ich schon immer nach Europa. In der Highschool hatte ich auch bereits verschiedene Deutschkurse. Daher habe ich nach Studiengängen in Deutschland gesucht.“ Als sie in die Suchleiste „Biotech in Germany“ eingab, war der TUM-Campus Straubing einer der ersten Treffer. Ein kompletter Standort für Biotechnologie im gewünschten Studienland? Das muss doch passen, dachte sich die Kanadierin, deren Heimatstadt Kitchener bis 1916 noch Berlin hieß. „Meine Sprachkenntnisse haben mich ermutigt, den Schritt zu wagen. Auch eine gute Freundin, die an der TUM in Garching Luft- und Raumfahrt studiert, meinte, dass es mir hier gefallen würde.“

Der erste Schock, den vor allem viele ausländische Studenten haben, wenn sie realisieren, dass der Straubinger Campus nicht direkt in München ist, blieb bei ihr aus. Studierende aus dem Ausland hätten nach ihrer Ankunft öfter schon einmal gefragt, welche Straßenbahn oder U-Bahn sie denn nehmen müssten, um nach Straubing zu kommen. Ein halbes Jahr vor Studienbeginn war sie allerdings mit ihrer Mutter für einen Städtetrip nach Deutschland gereist – daher wusste sie schon, was auf sie zukommt. Auch der deutlich kleinere Studienort stört sie bis heute nicht: „Ich hatte gleich am Anfang das Gefühl, dass Straubing passen würde.“

Was ihr an der Stadt gefällt: „Ich mag die älteren, farbenfrohen Gebäude. Da ich kein Partymensch bin, finde ich es gut, dass hier alles nicht so groß ist, ich mag es eher ruhiger.“ Vor allem die Natur in der Umgebung hat es ihr angetan: „Von meinem letzten Heimaturlaub in Kanada habe ich mein Fahrrad mitgebracht. Damit fahre ich oft an der Donau entlang oder in den Bayerischen Wald. An Orten zu sein, an denen um mich herum keine Gebäude sind, schätze ich hier sehr. Es beruhigt vom täglichen Uni-Stress.“ Auch längere Ausflüge wie diese sind durch den Hochschulverein und das Stipendium möglich. Vor der Unterstützung hatte sie einen Job als wissenschaftliche Hilfskraft an der Universität. Jetzt ist sie ein Stück finanziell unabhängiger und hat mehr Freizeit, um auch das Land erkunden zu können.

Das Gäubodenvolksfest hat sie allerdings noch nicht besucht. Der letzte Urlaub in der Heimat überschnitt sich genau mit dem Fest. Gut vorbereitet auf ihr erstes, und vielleicht nicht letztes Volksfest ist Emma Beadle aber schon jetzt: „Diesen Sommer werde ich hingehen. Ich habe mir auch schon ein Dirndl gekauft.“

Pläne, die über den Sommer hinausgehen, hat die 24-Jährige auch schon gefasst. Eine Promotion strebt sie noch nicht an. Das habe noch Zeit. „Ich mag die akademische Forschung, aber in der Industrie sieht man den Einfluss, den die eigene Arbeit auf andere Menschen hat, viel schneller.“ Daher möchte sie erst in der Arbeitswelt Fuß fassen und Erfahrungen sammeln. Allerdings nicht in Straubing, sondern in den Niederlanden. Der Grund: Eine Fernbeziehung, die nach zwei Jahren endlich keine mehr sein soll. Ihr Freund studiert an der Technischen Universität in Delft. Und auch in den Niederlanden soll es viele Arbeitsmöglichkeiten im Bereich Biotechnologie geben.

Ihrem Themengebiet, der Arbeit mit Bakterien, will sie auf jeden Fall treu bleiben. „Auf wissenschaftlicher Ebene fasziniert es mich einfach. Um ehrlich zu sein, fühlt es sich fast wie Magie an.“ Emma Beadle gibt ein Beispiel: „Du mixt verschiedene kleine Proben von unterschiedlichen Flüssigkeiten in einem kleinen Röhrchen, lässt es eine Stunde stehen und kreierst dadurch etwas komplett Neues.“ Bakterien zu verstehen, um sie in nützlichere Stoffe umzuwandeln, sei für sie „wichtig und relevant für die Zukunft“.

Der Standort der TUM in der Gäubodenstadt ist mittlerweile international bekannt. Knapp die Hälfte der Studierenden kommt aus dem Ausland. Alle ihre Vorlesungen – bis auf den Deutschkurs – sind auf Englisch. Dafür ist sie sehr dankbar: „Es wäre sonst unmöglich für mich, alles zu verstehen. Der Standort hier ist wirklich sehr international.“ Emma Beadle findet es daher schade, dass in der Stadt selbst viele anscheinend noch immer nicht wissen, dass es den Universitätsstandort gibt. Wenn sie Englisch spricht, wird sie oft angesprochen, wo sie denn herkomme und warum sie hier sei. „Du studierst hier an der Uni? Welcher Uni?“, seien oft die verwunderten Antworten gewesen. Bei der Bekanntheit sei daher noch viel Luft nach oben. Ebenso für mehr Studierende aus Kanada. „Neben mir soll es noch eine zweite Studentin aus meiner Heimat geben. Ich habe sie aber noch nicht gefunden.“ Immerhin: Ein Semester hat sie noch Zeit zum Suchen.